Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe
Landesverband Hessen e.V.

STORYTELLING im Landesverband

Erzählen Sie uns Ihre Geschichte.

Sie leiden unter einer peripheren Nervenschädigung (Polyneuropathie), dann berichten Sie an dieser Stelle unseren Mitgliedern über den Beginn und den Verlauf Ihrer Krankheit. Unsere Mitglieder interssieren sich über Ihre Erfahrungen mit Neurologen, Ihre Diagnose, Ihre Medikation, sowie den Verlauf Ihrer Krankheit.

Was hat Ihnen geholfen, was geschadet. Gab es Verbesserungen oder Verschlechterungen. Wenn ja, wie schnell?

Wie kommen Sie mit der Krankheit zurecht, und was belastet Sie besonders.

Gerne veröffentlichen wir an dieser Stelle Ihren Krankenbericht. Vielleicht hat jemand eine ähnliche Geschichte und möchte sich mit Ihnen austauschen.

Wir stellen den Kontakt her.

Angefangen hat alles 2010 mit Ringbandstenose der Finger, sogenannte schnappende Finger. Das waren bereits die Frühzeichen der Erkrankung.

Dann entwickelten sich 2017 Karpaltunnelsyndrome an beiden Händen, die operiert werden mussten.

2019 wurde ich wegen Spinalkanalstenosen in Höhe L3/4 und L4/5 im Franziskus-KH in Münster erfolgreich operiert.

2020 ging ich dann zu einer Neurologin in Paderborn aufgrund von Sensibilitätsstörungen der Fußsohlen. Dort wurde eine axonale PNP unbekannter Ursache festgestellt. Zur Abklärung schickte mich die Neurologin nach Hattingen in eine Spezialklinik für PNP-Fälle. Leider konnte diese Klinik auch keine Ursache feststellen. Schade, denn viele Fakten lagen auf dem Tisch. PEPO Aktuell

Vor einem Jahr entwickelte sich am rechten Arm eine Bizepsteilruptur und vor 3 Monaten zeigten sich EKG-Veränderungen.

Der aufgesuchte Kardiologe stellte dann die Verdachtsdiagnose einer kardialen Amiloydose mit Beteiligung der Sehnen und Bänder. Die exakte Diagnose wurde dann in der MHH in Hannover gestellt: Kardiale ATTRwl-Amiloydose mit PNP-Beteiligung.

Ich hatte viele der sogenannten „redflags“ bereits lange vorher. Jetzt bekomme ich Tafamidis und Grünteekapseln.

Mein Bericht soll anderen Betroffenen helfen, auch einmal an die Amiloydose zu denken, die deutlich häufiger vorkommt als man bisher glaubte.

Ich bin selbst Arzt. Im Laufe der letzten 10 Jahre entwickelte sich an meinen Füßen eine axonale Polyneuropathie. Zusätzlich wurde an beiden Händen Karpaltunnelsyndrome festgestellt und operiert.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Jost

Als Betroffener einer Polyneuropathie möchte ich hiermit meinen Fall der Selbsthilfe zur Verfügung stellen, um anderen Betroffenen auf ihrem weiteren Weg zu hel- fen und selbst aus anderen Erfahrungsbe- richten zu lernen.

 

Ich bin 70 Jahre alt und seit über 10 Jahren von dieser Erkrankung betroffen. 2014 erhielt ich eine Radio-Chemotherapie (36 Be- strahlungen und zwei Chemo mit Cisplatin) nach der Diagnose Speiseröhrenkrebs. Die Maßnahme war zunächst erfolgreich, wenngleich sich die bereits vorhandene diabetische Polyneuropathie deutlich verschlechterte. Die bekannten Beschwerden bzw. Schmerzen waren insbesondere in beiden Füssen, aber auch am Rücken rund um die „Einschusslöcher“ der Bestrahlungen spürbar.

Es begann eine Odyssee beim Onkologen, Internisten, Neurologen und Dermatologen sowie eines Medikamentenversuchs mit Pregabalin. Dieser musste allerdings aufgrund stark gestiegener Leberwerte abgebro- chen werden. So kam ich letzte Woche in die Schmerzambulanz eines Krankenhauses, wo ein für mich sehr grenzwertiger Versuch mit einem Capsaicin-Pflaster (Qutenza) auf dem Rücken durchgeführt wurde, der mich an die Grenzen meiner Belastbarkeit führte. Die Beurteilung dieses Versuchs steht noch aus, zeitgleich wurde mir als das Mittel der Wahl für meine Art von Polyneuropathie das Medikament Duloxetin empfohlen. Diese Empfehlung kam auch schon vorher von meinen Neurologen. Bisher habe ich damit allerdings noch nicht begonnen, da zunächst mein Langzeitmedikament Mirtazapin abgesetzt werden soll. Ich warte nun ab, ob das Pflaster eine nachhaltige Besserung der Beschwerden herbei- führt und ob ich problemlos auf Duloxetin umsteigen kann.

Wenn sich durch diesen kurzen Überblick meiner Polyneuropathie für einen Leser Fragen ergeben, stehe ich gern für ein Telefonat oder eine E-Mail zur Verfügung. Ich selbst bin daran interessiert, von Anderen Erfahrungen mit dem Capsaicin-Pflaster oder insbesondere mit der Einnahme von Duloxetin zu sammeln.

Danke für ihr Interesse, mit freundlichem Gruß

Christian Hormann, Dortmund

Im Gastbeitrag für selpers erzählt die Betroffene Ute Kühn von ihren Erfahrungen mit der Erkrankung Polyneuropathie und gibt hilfreiche Tipps für andere Betroffene.

 

Oftmals ist es ein langer Weg bis zur Diagnose „Polyneuropathie“. Zunächst sind es eigenartige Missempfindungen in den Füßen, ein Gefühl, als hätte ich viel zu enge Socken an. Dabei stecken meine Füße nicht in Socken! Es ist Sommer und warm, ich brauche keine Socken.

Beim nächsten Arztbesuch beim Neurologen wurde die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen, mit nur mäßigem Ergebnis. Nun ja, die Nervenleitgeschwindigkeit war etwas verlangsamt, aber nicht besorgniserregend.

Wenn ich damals bereits von dem Krankheitsbild Polyneuropathie gewusst hätte, wären mir sicher viele Einschränkungen meiner Lebensqualität, wie die immer stärker werdende Missempfindungen, Schmerzen und Gangunsicherheiten, erspart geblieben. Ich hätte gleich etwas dagegen unternommen. Aber der Arzt sagte nur: „Alles in Ordnung.“ Also musste ich mit diesen eigenartigen Beschwerden leben, was ich auch Jahre lang tat. Irgendwann gewöhnt man sich an alles.

Viel später, als ich mich mehr mit dem Thema Polyneuropathie beschäftigt habe, erfuhr ich, dass die häufigsten Ursachen für dieses Krankheitsbild Diabetes mellitus, Alkoholabusus und Drogenkonsum ist. All dieses kam und kommt bei mir nicht in Frage.

Im Laufe der Zeit wurden mir wegen immer wiederkehrenden Infektionen Breitbandantibiotika mit dem Wirkstoff Fluorchinolon verordnet. Erst viel später nahm ich wahr, dass meine Beschwerden in den Beinen nach jeder Einnahme dieses Wirkstoffes schlimmer wurden. Zufällig sah ich eine Sendung im Fernsehen, in der über das Thema Fluorchinolone und Polyneuropathie berichtet wurde, just zu einem Zeitpunkt, als ich wieder einmal ein solches Präparat verordnet bekommen hatte. Für mich schloss sich hier der Kreis meiner Überlegungen, woher meine Probleme wohl kommen könnten, was aber leider nicht zu beweisen ist.

Durch einen Umzug in eine andere Stadt wurde auch ein Arztwechsel erforderlich. Wieder suchte ich eine Neurologin auf, da es bei mir auch eine weitere neurologische Erkrankung gibt. Ihr berichtete ich eines Tages von meinen immer schlimmer werdenden Problemen mit einer Gangunsicherheit. Ich sagte zu ihr, dass die Leute in meiner Nachbarschaft sicher denken würden: „Oh Gott, am frühen Morgen schon so betrunken.“ Die Ärztin lachte nur und sagte: „Dann lassen Sie sie doch.“ Das war für mich Anlass noch einmal den Arzt zu wechseln, und dieser stellte gleich beim ersten Besuch die Diagnose „Polyneuropathie“, machte einige Untersuchungen, um die Ursache herauszufinden. Allerdings blieben diese Versuche der Ursachenerforschung ohne Erfolg. Also heißt die Diagnose ab diesem Zeitpunkt „idiopathische Polyneuropathie“.

Bei einer kürzlich durchgeführten Reha-Maßnahme in Bad Feilnbach wurden mir Therapiemöglichkeiten vermittelt, die das Leben mit der Erkrankung leichter machen können, wie Kneipp’sche Wechselbäder der Beine und vielfältige Bewegungstherapien. Bei sehr starken Schmerzen wurden Capsaicin-Pflaster empfohlen. Diese kann man sich in einer Schmerzambulanz applizieren lassen.

Bewegung in Form von Spaziergängen sind für mich sehr hilfreich. Mein tägliches halbstündiges Gassi-Gehen mit meinem kleinen Vierbeiner ist für mich sehr wohltuend.

Die Einnahme von hoch dosiertem Vitamin B12 hat meine Gangunsicherheit völlig beseitigt. Man sollte jedoch den B12-Spiegel im Blut messen lassen, um zu sehen, ob hier eine Ursache für den Schwindel liegen kann. Auch bei Werten, die im unteren Normbereich liegen, ist die Einnahme eines B12-Präparates indiziert. Der B12-Wert sollte jedoch immer wieder kontrolliert werden, um eine Überdosierung zu vermeiden.

Den Vorsitzenden der Deutschen Polyneuropathie Selbsthilfe e.V., Albert Handelmann, kenne ich schon viele Jahre aus der Selbsthilfearbeit auf Bundesebene. Ihn rief ich an und erzählte ihm, dass auch ich von einer Polyneuropathie betroffen sei. Es kam wie es kommen musste, bei einem weiteren Telefonat fragte er mich, ob ich ihn in seiner Arbeit für die Betroffenen unterstützen möchte. Ohne lange zu überlegen habe ich zugesagt, mache diese Aufgabe sehr gerne und habe auch gleich eine regionale Selbsthilfegruppe in Ingolstadt gegründet. Die Resonanz auf einen Artikel in unserer regionalen Zeitung über die Gründung unserer Gruppe war überwältigend. Es hat gezeigt, wie wichtig der Betroffenenaustausch ist, aber auch die zuverlässige Information durch die Selbsthilfeorganisation über Neuerungen der Patientenversorgung und neue Erkenntnisse über Therapiemöglichkeiten, sofern es hier Neues zu berichten gibt.

Polyneuropathie – wie geht es mir damit?

Bericht von Kurt Podstata

Ich bin im Jahr 1950 geboren und wohne nicht weit von der Ostsee entfernt. In meiner Freizeit liebte ich es, am Strand oder dem parallel dazu verlaufenden Ost-see-Radweg entlangzulaufen. Als ich jedoch immer öfter nachts Krämpfe in den Beinen verspürte, glaubte ich zunächst an Magnesiummangel, aber auch die Einnahme größerer Mengen an Brause- Tabletten half nicht.

 

Der Krankheitsverlauf

Eines Nachts wachte ich durch einen starken Krampf im rechten Fuß auf. Dieser hing am nächsten Morgen herab und ich musste beim Gehen das Bein anheben, um nicht zu stolpern (Stepper-gang). In einer Klinik wurden Bandscheibenprobleme diagnostiziert. Einer bereits vor zwanzig Jahren vorgenommenen Band-scheiben-OP folgte nun eine weitere, bei der zwei Lendenwirbel miteinander verschraubt wurden. Doch die Fußheberschwäche wurde durch diese Operation nicht beseitigt. Es stellte sich kurze Zeit später eine weitere am linken Bein ein. Gegen die Fußheberschwäche wurden textile Fußheberbandagen durch den Orthopäden sowie ein Gehstock als Sturzprävention verordnet.

Als später Gleichgewichtsstörungen beim Gehen sowie ein taubes Gefühl in den Füßen dazukamen und sich dann ein Kribbeln wie Ameisenlaufen und später ein Brennen einstellte, so als wenn ich keine Haut unter den Füßen hätte, begab ich mich zu einer Schmerzärztin, die eine Polyneuropathie diagnostizierte.

 

Die weitere Diagnose und erste Medikation

Ein Neurologe bestätigte nach eingehender Untersuchung ein-schließlich Lumbalpunktion und Ultraschalluntersuchung den Anfangsverdacht. Später erfolgte die Entnahme eines kleinen Stückchens eines Nervs und des anliegenden Muskels aus dem Fuß (Biopsie). Die Diagnose – eine axonale autoimmun-inflammatorische Polyneuropathie. Diese Diagnose rechtfertigte den Therapieversuch mit Steroiden und einer intravenösen Immunglobulin-Therapie, da Parallelen mit einer CIDP gegeben sind.

Ein Medikament, ursprünglich gegen Epilepsie entwickelt, half gegen die Schmerzen.

Weitere Symptome

Temperatur- und Schmerzreize in den Beinen knieabwärts kann ich nicht mehr angemessen wahrnehmen. Leichter Berührungsschmerz wird ebenfalls nicht wahrgenommen. Jedoch ein Stoß mit nackten Füßen gegen ein Stuhlbein wird in einer vielfach höheren Schmerzstärke empfunden als noch vor ein paar Jahren mit gesunden Füßen. Das Berührungsempfinden an den Füßen ist gestört – Schuhe, die mir an einem Tag noch bequem passen, fühlen sich am nächsten Tag an, als wenn sie zwei Nummern zu klein wären. Die Schmerzfreiheit am Tag wird unterbrochen durch plötzlich auftretenden stechenden Schmerz, als wenn ein Messer durch den Fuß gestoßen wird. Das Gefühl kalter Füße habe ich nicht, doch, wenn ich meine Füße berühre, spüre ich die Kälte mit meinen Händen. Die Durchblutung der Haut der Füße ist gestört, besonders der rechte Fuß ist fast immer blau gefärbt. Ein Angiologe, der die Hauptgefäße untersucht hat, konnte jedoch eine volle Funktionsfähigkeit feststellen. Die feinen Kapillargefäße in der Haut sind durch die Polyneuropathie gestört.

 

Morgens die Finger zur Faust zu ballen fühlt sich an, als wenn eine Rolle in der Hand liegt, die mit aller Kraft und mit Schmerzen zusammengedrückt werden muss.

Die Wirkung der Immunglobuline

Im September 2020 unterzog ich mich einer Kortison-Therapie, Ende November folgte dann eine fünftägige intravenöse Immun-globulin-Therapie (IVIG). Es wurden jeweils fünfhundert Milliliter zehnprozentige Lösung injiziert, ab Januar 2021 folgten alle vier Wochen weitere Infusionen in der Neurologischen Universitäts-klinik Rostock. Später wurde der Abstand auf drei Wochen verkürzt. Bei den halbjährlichen Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit war zu erkennen, dass die Zerstörung der Nerven nicht mehr so schnell voranschreitet.

Durch einen Mitbetroffenen erfuhr ich, dass es die Möglichkeit gibt, die Injektion subkutan (unter die Haut) im häuslichen Um-feld durchzuführen.

Ich konnte meinen Neurologen von dieser Methode überzeugen und unter Anleitung erhielt ich in seiner Praxis im Februar 2024 die erste Injektion. Die erste subkutane Injektion erfolgte nur vier Tage nach der letzten intravenösen Infusion. Somit war der Immunglobulin-Spiegel im Körper noch sehr hoch. Dieses Niveau konnte beibehalten werden, weil die nächsten Injektionen schon im Abstand von drei bzw. vier Tagen folgten. Seitdem verabreiche ich jeweils mittwochs und sonntags meist abends fünfzig Milliliter zwanzigprozentige Lösung Immunglobuline. Seitdem fühle ich mich stabil, der Erschöpfungszustand tritt bei anstrengender Tätigkeit trotzdem ein, aber er ist nicht so heftig wie vorher und kalkulierbar geworden. Die Messergebnisse der Nervenleit-geschwindigkeit zeigen einen deutlich schwächeren Verfall an, ja sie bleiben fast konstant. Ich fühle mich seitdem wesentlich wohler.

 

Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass ich seit Beginn der Immunglobulintherapie an keiner Infektionskrankheit erkrankt bin.

Stützende Orthesen

Meinen anfangs getragenen Textilbandagen folgten Fußheberorthesen, die von der Sohle bis zum Schienenbein rechtwinklig starr oder später mit Federbügeln ausgestattet waren. Einer Empfehlung während einer Reha nachkommend, fand ich in Rostock ein Orthopädiehaus, wo ein Orthopädiemeister nach Prüfung meines Gangbildes mit Carbon verstärkte, Gelenkorthesen fertigte. Jede dieser Orthesen besteht aus einer Sohle, die in einen Schuh eingelegt wird, verbunden mit einem Federgelenk in Höhe des Fußgelenks. Daran anschließend führt eine seitliche Stütze bis unter das Knie, wo sie mit Klettband den Unterschenkel umschließt. Spezielle Schuhe haben wegen des Gelenks eine seitlich eingebaute Bewegungsfalte. Diese Orthesen heben nicht nur die Füße, sie geben beim Stehen und Gehen einen besseren Halt, so habe ich ein annähernd normales Gangbild und kann kurze Wege sogar ohne Stock zurücklegen.

Mobilität

Durch mein gestörtes Gleichgewichtsgefühl ist es leider nicht mehr möglich, Strandspaziergänge durchzuführen. Ich brauche zum Gehen immer einen festen Untergrund, selbst stärkere Teppichbeläge oder weicher Rasen geben ein unsicheres Gefühl.

Bei Entfernungen von mehr als zweihundert Metern benutze ich einen Elektrorollstuhl, besonders, wenn ich unter Zeitdruck stehe.

Um im Straßenverkehr andere Menschen und mich wegen der verminderten Beinkraft und der Gefühlsstörungen nicht zu gefährden, habe ich mein Auto auf Handgas und Handbremse umbauen lassen. Eine vorher zu absolvierende Fahrschule war obligatorisch.

Für kurze Reiseziele nutze ich den öffentlichen Nahverkehr sowie alle Bahnen im Regionalverkehr. Längere Bahnreisen mit Umsteigen auf Anschlusszüge melde ich vorher über die Mobilitäts-servicezentrale der Deutschen Bahn an. Mitarbeiter der Bahn helfen mit Rampen oder Hubwagen beim Aus- und Einsteigen, begleiten mich über das Bahnhofsgelände bis in den Anschluss-zug oder am Zielort bis zum Ausgang.

Leben und Alltag sowie weitere Therapien

Gartenarbeit in gebückter Haltung ist nicht mehr möglich, diese lässt sich nur aufgestützt auf den Händen und mit gepolsterten Knien verrichten. Es muss dabei immer eine fest im Boden ein-gebrachte Stütze oder ein Zaunpfahl in der Nähe sein, an dem ich mich mit Hilfe der Armkraft aufrichten kann.

Ich gehe regelmäßig und ohne Zeitdruck mit Unterarmstützen oder Rollator um den Häuserblock unseres kleinen Wohngebiets, um die noch vorhandene Muskulatur zu trainieren. Nicht zuletzt sind es fünfzehn Stufen, die ich in meinem Haus täglich viele Male treppauf-treppab überwinden muss.

Während die Neigung von Krämpfen in den Unterschenkeln und Füßen stark nachgelassen hat, treten diese inzwischen zeitweise an den Vorder- und Rückseiten der Oberschenkel, in den Händen und auch in der Rückenmuskulatur auf.

Tägliches Cremen der Füße vor dem Schlafengehen sowie bequemes Schuhwerk zur Vermeidung von Druckstellen sind ebenso notwendig wie medizinische Fußpflege zur Hornhaut- und Nagelbehandlung. Um schweren Entzündungen vorzubeugen, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Podologie. Da die Füße und Gelenke anschwellen, ist darüber hinaus eine wöchentliche Lymphdrainage sowie zum Muskelerhalt zweimal

 

wöchentliche Krankengymnastik in der Physiotherapie notwendig.

Mein Gleichgewicht kann ich nur bei Licht mit offenen Augen hal-ten, mit geschlossenen Augen kann ich weder gehen noch stehen, das Gleiche gilt auch in dunklen Räumen.

Ich bin Nichtraucher. Während ich früher hin und wieder Alkohol zu mir genommen habe, nicht unerwähnt soll das obligatorische Bier beim Fernsehen bleiben, habe ich nach der Diagnose diesen Genuss drastisch reduziert, ich schwankte ja auch ohne Alkohol. Seit etwa einem Jahr verzichte ich völlig darauf, weil ich feststellen musste, dass auch nach einem Glas Bier am Abend mein gesamtes Wohlbefinden am nächsten Tag gestört war. Heute trinke ich bei feierlichen Anlässen maximal ein alkoholfreies Bier, mehr nicht, um nächtlichen Harndrang zu vermeiden.

Selbsthilfe – ein Beitrag zur Selbst-Hilfe

Bereits kurz nachdem ich die Diagnose erhalten hatte, wollte ich mich mit Betroffenen des gleichen Krankheitsbildes austauschen. Doch fand ich in Rostock leider keine Selbsthilfegruppe, wohl aber in der sechzig Kilometer entfernten Stadt Wismar.

Angeleitet durch die Kontaktstelle für Selbsthilfe (KISS) bestand diese Gruppe aus sechs Mitgliedern. Ich wurde herzlich aufgenommen, konnte mich nach meiner Vorstellung mit den anderen Betroffenen zu meinen Problemen austauschen und fand Verständnis für meine Probleme. Gleichfalls konnte ich meine bis dahin gesammelte Erfahrungen weitergeben.

Ein halbes Jahr später, ich hatte mich in Wismar dankend verabschiedet, gründete ich in Rostock selbst eine Gruppe, es waren zwölf Teilnehmer zum ersten Treffen erschienen. Seitdem kommen wir jeden Monat mit bis zu fünfundzwanzig Teilnehmern zusammen. Wir organisieren Fachvorträge mit anschließenden Gesprächen. So waren unter anderem eine Apothekerin und ein Orthopädiemeister zu Gast. Auch waren wir schon zweimal zu Gesprächen mit einem führenden Neurologen der Universität Rostock.

Gerne gebe ich mein erworbenes Wissen um die Polyneuropathie an andere weiter, so war ich erst kürzlich in einer Darmkrebs- und Stoma-Selbsthilfegruppe, weil ein Teil der dort Betroffenen durch ihre Chemotherapien ebenfalls unter einer Polyneuropathie leidet.

Ehrenämter, die ich zuvor in der Gemeinde ausgeübt hatte, habe ich abgelegt, weil ich seit meiner Diagnose der Polyneuropathie für Mitbetroffene und für mich die Hilfe geben möchte, die diese Krankheit neben den notwendigen Therapien erfordert.

Bilanz

Trotz dieser chronischen Krankheit, für die es noch keine wirksamen Mittel zur Heilung gibt, kann ich durch die Verabreichung der Immunglobuline, besonders seit Anwendung der subkutanen Injektion und aller weiteren Maßnahmen zur Gesunderhaltung, eine positive Bilanz für meinen Zustand ziehen.

Auf die Frage: „Wie geht´s?“ kann ich ehrlich antworten: „Anderen geht´s schlechter“.

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